Welche Vorteile bietet ein Smart Home auf FHEM-Basis? Eignet sich das System nur für Experten oder auch für Anwender, die in die Hausautomatisierung einsteigen? Diese und weitere Fragen beantwortet Prof. Dr. Peter Henning im Interview mit Housecontrollers.

Prof. Dr. Peter A. Henning ist Professor für Informatik und Sprecher des ICe – Institute for Computers in Education, Hochschule Karlsruhe. Seite Arbeitsgebiete umfassen die Themen eLearning und Semantische Systeme, 3D-Visualisierung und Computergrafik. Prof. Dr. Peter A. Henning blickt auf über 140 Fach- und allgemeine Veröffentlichungen über Informatik, theoretische Physik, Politik und Gesellschaft zurück – darunter auch das Buch „SmartHome Hacks: Hausautomatisierung selber machen.”

Smart Home-Experte Prof. Dr. Peter A. Henning

Housecontrollers: In ihrem Buch  „SmartHome Hacks: Hausautomatisierung selber machen“* erläutern Sie, wie die Leser/innen ihr eigenes Smart Home aufbauen können. Dabei stellen Sie auch das Heimautomationsprojekt FHEM ausführlich vor. Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Vorteile von FHEM?

Prof. Dr. Peter Henning: Der größte Vorteil ist die Universalität: Es gibt mehr als 300 verschiedene so genannte Gerätemodule für die Einbindung von Hardware und Datenquellen – vom Heizkörperthermostat über die Wettervorhersage bis zum Staubsaugerroboter. All dies kann kostenfrei und quelloffen für ein SmartHome genutzt werden.

Der zweitgrößte Vorteil ist das etwa 20.000 Teilnehmer umfassende deutschsprachige Benutzerforum in dem man sehr schnell und in hoher Qualität Hilfe bekommt. FHEM wird deshalb auch als das „Offiziersmesser“ unter den SmartHome-Systemen bezeichnet.

Housecontrollers: Eignet sich FHEM nur für Anwender mit einem technischen Hintergrund oder können auch Einsteiger mit dem Projekt ihr Smart Home aufbauen?

Prof. Dr. Peter Henning: Man benötigt für den Einstieg weder spezielle Hardware, noch Programmierkenntnisse, noch muss man einen „technischen Hintergrund“ haben – lediglich einlassen muss man sich auf das System. Deshalb kann jede Person, die schon einmal etwas auf dem Computer installiert hat und sich auch vor einer Kommandozeile nicht fürchtet, ein SmartHome mit FHEM aufbauen.

Insofern ist FHEM auch eine schöne Anwendung für den Informatikunterricht in der Schule – ganz wichtig, weil Kompetenzen für eine digitale Welt nicht aus „Programmieren“ oder gar „Office-Anwendungen“ bestehen, sondern aus dem Denken in logischen Abläufen und Algorithmen.

Außer dem Benutzerforum gibt es seit längerem eine sehr gute Einsteiger-Doku (PDF) und ein umfangreiches FHEM-Wiki. Allerdings sind deren Texte von technikaffinen Enthusiasten und teilweise schon vor längerer Zeit geschrieben worden – die Lernkurve ist also steil, etwas Lesen ist angesagt. Für mich war das der Hauptgrund für mein aktuelles Buchprojekt, mit dem ich versuchen werde, diesen Einstieg etwas zu erleichtern. 2019 soll dieses FHEM-Einsteigerbuch fertig werden.

Housecontrollers: Wie sah Ihr Einstieg in das Thema Smart Home aus und welche Lösungen setzen Sie heute ein?

Prof. Dr. Peter Henning: Durch einen ganz einfachen Anwendungsfall – nämlich einen Lichtschalter dorthin legen zu müssen, wo keine Leitungen vorhanden waren. Das erste war also ein Funkschaltsystem für Licht. Inzwischen steuere ich Licht, Heizkörper, Bewässerung, Rollläden, Wecker, Mediengeräte – fast das ganze Haus über FHEM.

Funksysteme wie HomeMatic und Zigbee, aber auch drahtgebundene 1-Wire-Systeme und WLAN-gestützte Aktoren und Sensoren sind im Einsatz und werden zum Teil über Spracheingabe gesteuert. Immer wieder kommen mir dabei neue Ideen, für die ich dann auch die Hardware entwickele. Etwa bei der Anbindung meiner modernen Heizung über EBUS, oder bei der Integration einer smarten Türstation mit der ebenfalls quelloffenen Software DoorPi. Gerade jetzt spiele ich ein wenig mit den WLAN-Aktoren des bulgarischen Herstellers Shelly – und habe dafür ein neues Modul für FHEM entwickelt.

Housecontrollers: Worauf sollte man bei der Planung eines Smart Homes unbedingt achten?

Prof. Dr. Peter Henning: Das hängt sehr davon ab, ob es um eine Bestandsimmobilie geht, oder um einen Neubau. Für den Neubau ist mein wichtigster Tipp: Leerrohre in großer Anzahl legen – zu jedem Schalter, zu jeder Anschlussstelle und noch ein paar in Reserve.

Man sollte nicht die eierlegende Wollmilchsau planen

Danach, und für eine Bestandslösung ebenfalls, sollte man nicht die eierlegende Wollmilchsau planen – zu schnell wechseln die Systeme. Sondern sich die konkreten Anwendungsfälle überlegen: Licht, Heizung, Klima, Sicherheit und die Überwachung von Umweltdaten sind die Klassiker. Dann aber beginnen die Fragen: Soll die Bedienoberfläche zentral sein, also als Panel oder Tablet realisiert, oder möchte man lieber dezentrale Einzelschalter? Oder soll alles per Smartphone gesteuert werden? Wie sieht es mit einer Sprachsteuerung aus? Wird auch ein WLAN geplant, wird es feste Netzwerkkabel geben? Sind schon smarte Elektrogeräte vorhanden?

Den Experten erkennt man daran, dass er genau diese Fragen stellt – und nicht sofort mit der alles umfassenden Lösung aufwartet. Ein SmartHome-System ist nur dann zukunftssicher, wenn man es um neue Anwendungsfälle erweitern kann.

Housecontrollers: Abschließend werfen wir einen Blick auf die kommenden Smart Home Trends. Was sind aus Ihrer Sicht die spannendsten Trends und Entwicklungen in der Hausautomatisierung?

Prof. Dr. Peter Henning: Aktueller Trend sind smarte Hausgeräte – etwa der Kühlschrank mit Innenkamera. Wobei man natürlich manchmal fragen muss, ob da nicht die Technikbegeisterung mit den Planern durchgegangen ist.

Bei den Interfaces und Protokollen – separate Funkkanäle, WLAN oder Draht – ist noch kein klarer Trend erkennbar, zu dynamisch ist die Entwicklung. Auch hier gilt deshalb: Es werden die Hersteller überleben, deren Geräte sich in offene Standards einbinden lassen.

An der Mensch-Maschine-Schnittstelle sehe ich die interessantesten Entwicklungen: Der Trend geht zu intuitiv bedienbaren Systemen, die auch eine Antwort in natürlicher Sprache liefern. Nur durch Sprachinterfaces und Multiroom-Audiosysteme können wir ein SmartHome realisieren, das unsichtbar als dienstbarer Geist im Hintergrund wartet und auf unsere Bedürfnisse in verschiedenen Lebenslagen reagieren kann. Die großen Internet-Konzerne haben das erkannt – und damit ist auch klar, dass wir hier gegensteuern müssen und auch kleine lokale Systeme benötigen.

Die Künstliche Intelligenz im Haus wartet schon um die Ecke

Durch die gegenwärtigen Fortschritte im Maschinellen Lernen wird das auch kommen, die KI (Künstliche Intelligenz) im Haus wartet schon um die Ecke. Ganz soweit bin ich selbst noch nicht, aber immerhin kann der ChatBot in meinem Haus schon ganz intelligente Hilfen geben. Die Persönlichkeit meines Hausgeistes ist übrigens weiblich und hört auf den Namen „Jeannie“. Als Jeannie das erste Mal sagte „Was kann ich für dich tun, Meister?“ hat sich meine Frau kringelig gelacht.

Housecontrollers: Herr Prof. Dr. Henning, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen!

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Author

Nico berichtet seit 2013 über Smart Home-Themen und ist Herausgeber von Housecontrollers.de.